“Dafür bist du noch zu jung!”

Darüber spricht man nicht, das ist nichts für Kinder, dazu bist du noch zu klein, das kannst du noch nicht, das verstehst du erst wenn du älter bist, jetzt setzen wir uns alle mal schön hin…

Na, kommt dir der eine oder andere Satz bekannt vor?

Für dich sind es wahrscheinlich sogar schon ganz alltägliche Sätze und du hinterfragst diese gar nicht mehr. Eigentlich wäre es aber total berechtigt diese oder ähnliche Sätze Erwachsener gegenüber Kindern zu hinterfragen. Das was du in einer solchen Situation erfährst nennt sich Adultismus.

Adultismus ist schwer zu definieren, aber in jeder Gesellschaftsform zu finden. Deshalb ist es wichtig, dass auch du davon weißt und es nicht einfach hinnehmen musst.

Adultismus wird im Duden als „Diskriminierung Minderjähriger durch Erwachsene“ beschrieben. Im englischen heißt es auf Wikipedia: „The power adults have over children.“ – Die Macht, die Erwachsene über Kinder haben. Wir leben in einer Welt mit Machtunterschieden- manche werden bevorzugt, manche benachteiligt. Aber das müssen wir doch nicht noch unterstützen.

„Du weißt wohl nicht, wen du vor dir hast“ oder „Wenn Erwachsene sich unterhalten, hast du still zu sein.“ Mit solchen oder ähnlichen Sätzen stellen sich Erwachsene über dich als Kind und es entstehen Machtunterschiede. Es gibt oben und unten und das Kind, was natürlich unten steht, hat nichts zu sagen.

Wieso sollte es aber solche Machtunterschiede zwischen Erwachsenen und Kindern geben? Wir sind doch alles Menschen und alle gleich viel Wert- oder etwa doch nicht?

Doch! Du bist als Kind genauso viel wert wie ein Erwachsener und du solltest dich nicht von Erwachsenen diskriminieren lassen.

Der Artikel zwei Absatz eins der UN Kinderrechtskonvention beschreibt aufgrund welcher Dinge ein Kind nicht diskriminiert werden darf. Aufgeführt wird hier zum Beispiel die Hautfarbe, das Geschlecht, die Religion, die Herkunft und noch einiges mehr. Das Alter bekommt im Gesetz keine Kategorie die vor Diskriminierung geschützt werden muss. Ist das nicht komisch, wenn genau hier die häufigste Diskriminierung von Kindern entsteht?

„Du bist doch schon fünf“ oder „Du bist doch erst fünf“

 
Gerade bei Kindern passiert es häufig, dass bestimmte Fähigkeiten einem Alter zugeordnet werden- ganz allgemein. „Das solltest du in deinem Alter aber schon können/schon verstehen“ oder eben „Das kannst/ verstehst du noch nicht.“  Das ist Adultismus. Jedes Kind ist individuell und es sollte nichts verallgemeinert werden. Vielleicht konntest du schon mit 5 Jahren auf den großen Baum auf dem Spielplatz klettern, während deine Freunde das erst mit 8 Jahren geschafft haben. Wer soll jetzt entscheiden wann es der richtige Zeitpunkt war?
Das Alter eines Kindes sollte nie der Maßstab sein, an dem gemessen wird, was du schon kannst und was nicht. Um das beurteilen zu können sollte der Erwachsene der das zu dir sagt dich gut kennen, um einschätzen zu können, was vielleicht gefährlich ist und was doch schon geht, obwohl du vielleicht erst fünf bist- oder schon fünf.
„Guck dir mal die anderen Kinder an“  oder „Schau mal, wie schön das die Frieda macht“ sind daher auch Sätze die nicht gerecht sind, denn wieder wird verglichen, obwohl doch jedes Kind individuell ist.

Dich zu einem bestimmten Verhalten zu zwingen, ohne dir die Gründe zu nennen ist auch Adultismus.


„Gib der Tante die Hand.“  Dein Verhalten wird dir von einer erwachsenen Person vorgeschrieben und du verstehst vielleicht gar nicht warum du der Tante die Hand geben sollst, oder du möchtest es auch gar nicht. Wenn du dann fragst warum, kommt die Antwort „Weil ich es sage!“  Das ist Adultismus und du musst dich nicht damit zufrieden geben. Du darfst selbst entscheiden, ob du der Frau deine Hand gibst und du hast vor allem das Recht darauf zu erfahren, warum du ihr deine Hand geben sollst oder warum du in einer bestimmten Situation ein bestimmtes Verhalten zeigen sollst.

Es kann passieren, dass du manchmal tatsächlich noch zu jung bist um ein bestimmtes Thema in seinem Ausmaß zu verstehen, aber es gibt eigentlich immer die Möglichkeit es dir deinem Alter entsprechend zu erklären. Ein Erwachsener muss dich nicht immer abweisen, wenn ein schwieriges Thema aufkommt. Oft rutschen Sätze wie „Das verstehst du erst, wenn du älter bist“ den Erwachsenen einfach raus und sie denken gar nicht darüber nach, wie sie es dir erklären könnten. Vielleicht fragst du das nächste Mal einfach nochmal nach, wenn du wieder einen solchen Satz zu hören bekommst. Bestimmt findet sich dann eine Lösung und du musst dich nicht dem Adultismus hingeben.

Aber warum geht es bei Kindern überhaupt immer um das Alter?

Vielleicht hast du schon mal mitbekommen, wie eine Mutter anderen Erwachsenen von ihren Kindern erzählt. Dabei hat sie dann bestimmt das Alter der Kinder gesagt und vielleicht sogar die Namen nicht erwähnt. Das könnte ungefähr so aussehen: „Ich habe drei Kinder, die große ist schon 17 die mittlere 12 und der Kleine ist erst 5.“ Aber wieso nennt sie das Alter der Kinder? Ist es schlecht das der kleineste erst fünf ist? Ist er damit weniger wert? Nein, auf keinen Fall. Aber warum nennt man das alter dann? Wenn dieselbe Frau über ihren Mann redet würde sie wahrscheinlich nicht sagen „Ich habe einen 47 jährigen Mann, der …“

Kindheitspädagogin Fea Finger sagt: „Wir alle sind in adultistischen Strukturen sozialisiert worden. Wir hinterfragen das nicht, wir haben das verinnerlicht. Es ist im Grunde eine alltägliche, strukturelle Diskriminierungsform.“ Sie erklärt sich das ständige Befassen mit dem Alter der Kinder dadurch, dass wir es „alle als Kinder erfahren [haben]: Es ist in Ordnung, eine bestimmte Gruppe von Menschen aufgrund willkürlicher Merkmale – etwa dem Alter – auszugrenzen, abzuwerten oder ihnen Rechte und Fähigkeiten abzusprechen. Das setzt sich unbewusst fort, weil dieses Verhalten internalisiert wurde.“ Wir haben uns also an das adultistische Verhalten gewöhnt und empfinden es als ganz normal. Bis man sich einmal mit Adultismus beschäftigt. Dann fällt einem die Ungerechtigkeit und der fehlende Respekt vieler Erwachsener gegenüber Kindern erst auf.

Aber wie kann man dann noch etwas dagegen tun?

Als Erwachsener könnte man sich in den verschiedensten Situationen zum Beispiel fragen: „Würde ich in dieser Situation auch mit einem erwachsenen Menschen so umgehen?“ oder „Würde ich wollen, dass man mit mir selbst so umgeht?“
Wenn man Kinder als eigenständige Persönlichkeit akzeptiert und immer wieder bewusst versucht keine Machtunterschiede zu machen, verhält man sich automatisch nicht mehr so adultistisch.

„Dir Rechte zu verweigern, indem du nicht als menschliches Wesen mit einem menschlichen Verstand, einem menschlichen Körper und der Fähigkeit zu denken, zu entscheiden und zu fühlen, anerkannt wirst …, all das ist Adultismus.“

Ein Blogartikel von Salome Dietz, 19 Jahre

(oder spielt das Alter keine Rolle?)

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